Der letzte Eintrag ist ja schon ganz schoen lange her, faellt mir auf. Interessiert sich noch jemand für unsere Reise, frage ich mich? Nicht dass davon ein Blogeintrag abhängen würde, nein, das ist ja auch für uns selber, was wir hier so schreiben. Aber interessieren wuerde es mich schon. Zumal wir in Gedanken ja schon sehr oft wieder zu Hause in Deutschland sind, bei unseren Freunden, Eltern und Kollegen. Dabei sind wir in Südamerika wie nie zuvor. Endlich, muss man sagen. Denn so schön die Reise bislang war, soviele Eindruecke wir auch gewonnen haben und Menschen wir treffen durften und Landschaften wir gesehen haben, desto mehr merken wir gerade, was in Südamerika eigentlich geht.
Was ist passiert? Nun, wir haben vor ca. 1 Woche die Grenze nach Bolivien überquert und seitdem intensive Erlebnisse gehabt. Doch der Reihe nach.

Auf dem Weg nach San Antonio de los Cobres
Von Salta aus ging es nach Norden und fast schlagartig änderte sich der Eindruck, den wir von Argentinien hatten. Gibt es im Süden und den von uns bisher bereisten Bereichen kaum Spuren von präkolumbianischem Leben, so nehmen diese im hohen Nordwesten doch rapide zu. Es wird fast ausschließlich mit Lehm gebaut, die Menschen weisen unverkennbare Zeichen ihrer Abstammung von Quechua und Amayara auf und die durch den Koka-Pfriem bedingte dicke Backe ist allgegenwärtig. Die Dörfer und Städte, die man antrifft, sind viel älter als alle Siedlungen, die wir bisher antrafen. Es gibt gepflasterte Strassen, Kolonialbauten, traditionelle Lehmbauten. Mit Ausnahme der Minenstädte natürlich. Denn Grund fuer die grossartigen Farben, die uns in den Anden allerorts begegnen sind verschiedenste Erze, die den Berg ausmachen. Und so ist der Bergbau allgegenwärtig, im Norden von Chile, Argentinien und in den Hochebenen von Bolivien. Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Zink, alles wird abgebaut.Eine solche Minenstadt ist San Antonio de los Cobres. Staubig, heiss. Schnell weg.

Ziemlich staubig hier...

Auf dem Weg lief uns dann ein uriges Restaurant über den Weg, mitten im Nichts. Hier lebt Sandro mit seiner Familie und wir wurden nicht nur erstklassig bewirtet (Lama, lecker), sondern konnten auch dort nächtigen und einiges über das Leben der Familie erfahren.

In einem Dorf aus Lehm...
Weiter ging es auf der legendären Routa 40 zu den Grande Salinas, wo Speisesalz gewonnen wird.

Salinas Grandes, Nordargentinien

Prise Salz gefaellig?
Nach einer spektakulären Fahrt erreichten wir Pumamarca, ein hübsches Örtchen, bekannt fuer seinen „Berg der sieben Farben“. Weiter ging es nun strikt nach Norden, auf dem Weg lagen noch Tilcara und Humauaca, ebenfalls sehr schöne Örtchen, „tranquilo“, was wir sehr genossen haben.

so isses

hoch

runter

Berg der sieben Farben bei Pumamarca
Kurz vor Bolivien legten wir noch einen Stop am „Lago de Pozuelos“ ein, eine Hochlandlagune, bekannt für ihre Flamingos und Llamas. Hier ging es dann los. Höhe, heisse Tage und eiskalte Nächte, so um -15 Grad, setzten uns zu. Paula spuckte mitten in der Nacht den ganzen Bus voll, das bedeutete in klirrender Kälte Bett abziehen, Kind und Horst grossflächig reinigen und irgendwie alle wieder aufwärmen. Dementsprechend hatten wir am nächsten Tag den ganzen Bus voller Dreckwäsche, dazu mal wieder einen Reifenschaden, und was Horst morgens von den Temperaturen hält, sieht man auf dem Bild.

sogenannter Hochnebel
Also auf ins äußerst trostlose Städtchen auf der argentinischen Seite der Grenze zu Bolivien, auf dem Weg habe wir noch einige Mütter mit ihren Kindern mitgenommen, die per Autostop auf dem Weg in die Schule waren.
Nur gibt es in La Quiaca keine Wäscherei. Zum Glück fanden wir im nahegelegen Yavi ein schönes Hostal, wo wir uns einmieteten und -wuschen. Helke vielmehr. Ich durfte mal wieder die Wasserpumpe tauschen, sie hatte nach der Reparatur in Chile (s.u.) Spiel entwickelt und das Fett flog heraus. Also baute ich die vorsichtshalber schon besorgte argentinische Austauschwasserpumpe ein und weiter gings -nach Bolivien, endlich.

Bomba de Agua, die Zweite
Villazon, die Stadt jenseits der Grenze, erwartete uns mit einem schier unglaublichem Angebot an Waren aller Art, ja auf jedem Quadratmeter der Stadt schien ein Stand zu sein. Von argentinischem Fleisch bis zu chinesischer Elektronik gab es alles, unter anderem auch einen neuen Reifen für uns, es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die zwei Reifen, die wir in Salta gekauft hatten, grösser waren als die, die wir aus Deutschland mitgebracht hatten, bei gleicher nomineller Dimension, versteht sich. Naja, mittlerweile freuen wir uns über jeden Fahrtag, den wir nicht mit einem Besuch in einer Gomeria, einer Reifenreparaturwerkstatt, beginnen.
So war es spät, als wir Villazon verliessen -wir machten erste Erfahrungen mit zu hoch angesetzter Strassenmaut und Polizei, die „Bearbeitungsgebühr“ verlangt- es wurde dunkel, die Strasse war schlecht und entgegenkommende Fahrzeuge unbeleuchtet. Also fragten wir bei einem Polizeiposten, ob wir dort am Strassenrand stehen dürften, was kein Problem war, nur die Rinne am Fahrbahnrand war eins, wir setzten Horsti mit der Anhängerkupplung auf und nachdem ich nochmal mit Vollgas ein Stück vorwärts gekommen war, hingen die Hinterräder quasi in der Luft. Es folgte eine deutsch-bolivianische Gemeinschaftsbergung, sehr zur Freude der Polizisten, die die Abwechselung in ihrem Programm ausgesprochen freundlich unterstützten. Mittlerweile an die Kälte gewöhnt, war diese unsere erste Nacht in Bolivien am Ende ganz entspannt. Das Problem ist nämlich, dass es in Bolivien so gut wie keine Campingplätze gibt und man sich dementsprechend über einen guten Pennplatz sehr freut.
Die nächste Stadt in Bolivien, Tupiza, empfing uns dann wieder mit überbordenden Märkten und vielen Eindrücken auf den Strassen, langbezopfte Mamis, die an der Strasse sitzen und aus einem grossen Topf Essen verkaufen, Saftverkäufer hinter ihren mit Orangen beladenen Wägen und immer wieder Menschen, die beim Anblick von Paula und Tom spontan in Liebkosungen ausbrechen, verbalen und physischen.

Der schmeckt nicht nur wie frisch gepresst, der ist es sogar
Es folgte die Fahrt nach Uyuni, hier gibt es den groessten Salzsee der Welt, auf dem wir zwei Tage verbrachten, Paula und Tom fuhren Fahrrad, Helke kämpfte mit aufmüpfigen Gedärm, bis heute sind wir alle mehr oder weniger verdauungsgestört.
Die Nacht vor und nach dem Salaar (Salzsee) verbrachten wir auf dem „Parkplatz“ eines Hostels, wiederum aus Ermangelung eines Campingplatzes.

- Was macht der Horsti denn da?

Der Salaar de Uyuni

Schatz, ich habe die Kinder geschrumpft

...und ich das Auto!

Was man aus Salz so alles machen kann
Mittlerweile sind wir auch ganz gut im Übernachten auf öffentlichen Strassen, wenn alle mal vorbeigepilgert sind und gestaunt haben, hat man seine Ruhe.
Nach weiteren zwei Tagen Fahrt durch abwechslungsreiche Anden-Hochland-Landschaft, das sog. Altiplano, sind wir nun in Potosi angekommen und das ist nun mit Abstand die tollste Stadt, die mir bislang auf der Reise über den Weg gelaufen ist. Zu Fusse eines Berges, des „Cerro Rico“ -reicher Berg-, entwickelte sich durch Ausbeutung desselben eine prosperierende Bergbau und Handelsstadt, in der das bolivianische Leben tobt. Und heute konnte ich eine Führung durch eine Mine mitmachen, was ziemlich irre war.

Strassenszene in Potosi
Man muss dazu wissen, dass dem cerro rico schon seit 500 Jahren seine Substanz geraubt wird, zuerst von indianischen Zwangsarbeitern, die Silber fuer die spanische Krone abbauten, ca. 8 Millionen sind dabei gestorben. Mittlerweile bauen mehr oder weniger freischaffende Bergarbeiter unter nicht wesentlich veraenderten Bedingungen andere Erze ab, Lebenserwartung um die 40 Jahre. Jeden Tag werden zig Tonnen Gestein aus dem Berg entfernt, er gleicht einem Schweizer Kaese. Seine Hoehe betrug frueher einmal 5100 Meter, mittlerweile sind es noch 4800.
Die Arbeiten werden von allen Beteiligten, u.a. vielen sehr jungen Arbeitern, 13, 14 Jahre alt, mit der Hand bewaeltigt, nur in wenigen Stollen gibt es Maschinen. Um die Arbeit ueberhaupt zu ertragen, wird Koka gekaut, 96-prozentiger Alkohol getrunken und schwarzer Tabak geraucht.
Als Vorbereitung auf die Exkursion in die Mine werden diese Dinge eingekauft, ausserdem Dynamit, das freut den Bergarbeiter. Dann geht es hinein in den Stollen und jeder deutsche Bauherr, der auch nur beim Bau einer Gartenlaube so vorgehen wuerde, wie es in diesen Minen seit Jahrhunderten geschieht, waere sofort im Knast. Wackelige Stiegen, unbeleuchtete, ungekennzeichnete Stollen, keine Frischluftzufuhr, ueberall Steinsammlungen, die bei der naechsten falschen Bewegung in die Tiefe rauschen. Es war abenteuerlich. Aber eindrucksvoll. Und dabei gilt seit Urzeiten St. Annaberger Bergrecht.

Fertig zum Einfahren

Handarbeit ueberall


Professionell gesicherte Stollen
Wir trafen in Potosi, dass wir von einem ganz huebschen Hotelparkplatz aus entdecken konnten, noch nette Leute, insbesondere haben wir uns ueber die Bekanntschaft mit Anja gefreut, die Paula und Tom auch gleich ins Herz geschlossen haben. Sie konnten eine Abwechselung von ihren Eltern auch mal wieder gut gebrauchen.
Aber bald werden sie die ja ohnehin haben, denn das Ende der Reise steht bevor: Helke wird Ende Juni mit den Kids von Cusco, Peru, nach Hause fliegen und Horsti und ich werden nach Kolumbien weiterfahren, um von dort aus zu verschiffen, bzw. in den Flieger Richtung Heimat zu steigen. Das wars dann, mit der grossen Reise. Aber bis dahin bleiben noch ein paar Wochen und wir sind fest entschlossen, diese noch zu geniessen. Wir werden erneut berichten.
Potosi und die verrueckten Anden aus der Luft:
http://maps.google.es/?ie=UTF8&ll=-19.766704,-65.753174&spn=0.920161,1.235962&t=h&z=10